Equal Pay Day: Lohnlücke im Emsland besonders groß

Lingen. Zahlreiche Teilnehmende informierten sich am Equal Pay Day über die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Diese liegt im Emsland deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Die Veranstaltung des Aktionsbündnisses auf Kreisebene nutzen rund 130 Personen, um sich bei Vorträgen über den Gender Pay Gap, also die geschlechtsspezifische Lohnlücke, zu informieren. Da der Aktionstag unter dem Motto „Die Kunst der gleichen Bezahlung“ stand und damit vor allem den Kunst- und Kulturbereich beleuchtete, fand die Veranstaltung in der Kunsthalle Lingen statt.
Fabian Brand
Gut besucht war die Veranstaltung zum Equal Pay Day, die unter dem Motto „Die Kunst der gleichen Bezahlung“ in der Kunsthalle Lingen stattfand. (Foto: Landkreis Emsland)

In ihrer Begrüßung wies die Vertreterin des Aktionsbündnisses und Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Emsland, Marlies Kohne, auf den Entgeltunterschied zwischen Männern und Frauen hin. Nach Statistischem Bundesamt beträgt dieser in Deutschland aktuell 18 Prozent. Bereits seit 2016 macht das Bündnis, dem die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, die Landfrauenverbände, die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands kfd, der Sozialverband Deutschland, der ev.-luth. Kirchenkreis Emsland-Bentheim, der Katholische Deutsche Frauenbund, die Agentur für Arbeit Nordhorn, sowie das Jobcenter und die Koordinierungsstelle Frauen und Wirtschaft beim Landkreis Emsland angehören, mit Aktionen auf die Entgeltlücke aufmerksam.

Kathrin Zandman, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt und EURES-Beraterin bei der Agentur für Arbeit Nordhorn, stellte in ihrem Vortrag beeindruckende Zahlen aus 2021 vor: Danach liegt Deutschland mit seiner unbereinigten Lohnlücke, dem Gender Pay Gap, mit rund 18 Prozent über dem europaweiten Durchschnitt von etwa 13 Prozent. Die unbereinigte Lohnlücke beschreibt den Verdienstabstand pro Stunde zwischen vollzeitbeschäftigten Frauen und Männern, ohne auf geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf lohnbestimmende Faktoren wie Berufswahl, Qualifikation, Arbeitserfahrung etc. einzugehen. Im Emsland liegt sie bei etwa 29 Prozent. In Summe ergeben sich dadurch pro Tag 30 Euro brutto weniger im Portemonnaie der Frauen.

Meike Behm, Direktorin der Kunsthalle Lingen, ging in ihren Ausführungen auf die ebenfalls große geschlechterspezifische Lohnlücke im Bereich bildende Kunst ein, dem Gender Show Gap. Eine Folge dieses Gender Show Gaps ist, dass beispielsweise Bilder von Frauen auf dem Kunstmarkt oft zu geringeren Preisen angeboten werden. So seien „die Arbeiten von Frauen […] am internationalen Auktionsmarkt halb so viel Wert wie die von Männern“, sagte Behm. Und weiter. „Die Analyse von 1,5 Millionen Auktionsdaten aus den Jahren 1970 bis 2013 durch ein Team um Ökonom Roman Kräussl von der Luxembourg School of Finance ergab, dass Werke von Künstlerinnen im statistischen Mittel 25.262 Dollar erzielten, die von Künstlern dagegen 48.212 Dollar. Künstlerinnen müssen also mit einem Geschlechts-Rabatt von 47,6 Prozent leben. Auch wenn die Erlöse bei Auktionen nicht den Künstlern selbst zukommen, dürfte der Discount dort negative Folgen haben für die Preise, die Künstlerinnen mit ihren Werken bei Sammlern und in Galerien erzielen“, so Behm.

Die 2020 erschienene Umfrage „Frauen und Männer im Kulturmarkt. Bericht zur wirtschaftlichen und sozialen Lage“ deckt beispielsweise auf, dass das durchschnittliche Einkommen der in der Künstlersozialkasse versicherten Künstler im Jahr 2019 bei 20.518 Euro und das der Künstlerinnen bei 14.750 Euro im Jahr und damit nur knapp über der Armutsgrenze (Nettoeinkommen weniger als 14.109 Euro) liegt. „Der Gender Pay Gap hat sich im Zeitraum von 2018 auf 2019 nicht verändert und liegt bei ca. 28 Prozent“, sagt Behm. Auf lange Sicht drohe diesen Künstlerinnen Altersarmut.

In ihrem Fazit hielt sie aber auch fest, dass ein Umdenken im Kulturbetrieb eingesetzt habe. Weibliche Kunst sei langsam präsenter in Sammlungen und Ausstellungen, insbesondere in den gemeinnützig organisierten Kunstvereinen, die vielfach – wie die Kunsthalle Lingen auch – von Frauen geleitet würden. Ebenso seien die Honorare insbesondere für Künstlerinnen mehr in den Fokus gerückt. Sie forderte in einem Land wie Deutschland, mit zahlreichen Museen und Galerien in öffentlicher Hand, das Mitwirken von staatlicher Seite. Eine Lösung liege aber auch in der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle Menschen. Denn auch „künstlerische Arbeit muss endlich von allen Menschen als wertvoller Beitrag zu außerschulischer Bildung anerkannt und gewürdigt, sprich: angemessen bezahlt werden“, betont sie.

Die ausgebildete Bildhauerin Julie Kopp aus Lingen, die eigene Erfahrungen mit dem Publikum teilte, machte ebenfalls deutlich, dass es wichtig sei, Kunst als Bildung für Kinder und auch insgesamt für die Gesellschaft wahrzunehmen und anzuerkennen. Ein Aspekt, der im Kunstbetrieb zu kurz komme.