Im Ratssaal sprach der Historiker Dr. Helmut Lensing über das Heuerlingswesen im Emsland – mit besonderem Blick auf die Gemeinde Geeste. Mit anschaulichen Beispielen und persönlichen Anekdoten auch aus seiner eigenen Familiengeschichte ließ er das entbehrungsreiche Leben der Heuerleute lebendig werden.
Michaela Hoffmann, die Erste Gemeinderätin, begrüßte den Referenten. Der Geester Archivar Dr. Martin Koers stellte Dr. Lensing als ausgewiesenen Experten vor, der durch zahlreiche Veröffentlichungen zur Regionalgeschichte im Emsland und der Grafschaft Bentheim bekannt sei.
Gleich zu Beginn räumte Lensing mit einem Missverständnis auf: „Heuer“ habe nichts mit „anheuern“ zu tun, sondern bedeute „pachten“. Heuerleute mieteten sich bei Bauern ein und erhielten ein kleines Stück Land sowie Wohnraum – meist unter schwierigen Bedingungen und mit wenigen Rechten. Die Verträge wurden in der Regel nur mündlich abgeschlossen.
Der Vortrag zeigte, dass das Heuerlingswesen in Nordwestdeutschland bis weit in das 20. Jahrhundert verbreitet war. Auch im Emsland stellten Heuerfamilien in vielen Dörfern über lange Zeit hinweg die Mehrheit der Bevölkerung. So lebten beispielsweise in Dalum 24 Bauern- und 26 Heuerfamilien. Letztere wohnten oft in einfachsten Verhältnissen: schlecht isolierte Häuser, wenig Schutz vor der Winterkälte und eingeschränkte Heizmöglichkeiten führten zu gesundheitlichen Problemen.
Besondere Aufmerksamkeit widmete Lensing der sogenannten Markenteilung um 1850. Durch die Privatisierung zuvor gemeinsam genutzter Flächen sicherten sich die Bauern das Land, während die Heuerleute wichtige Ressourcen verloren. Um zu überleben, suchten sie Nebenerwerbe – etwa als Saisonarbeiter in den Niederlanden („Hollandgänger“), durch Flachsanbau, Heimarbeit oder Gelegenheitsjobs. Auch die Auswanderung nach Übersee bot manchen eine neue Perspektive.
In der Weimarer Republik organisierten sich die Heuerleute erstmals politisch. Im Emsland gründete sich der „Verein Christlicher Heuerleute, Kleinbauern und Pächter“, dessen bekanntester Vertreter Heinrich Kuhr (Bienerfeld) war. Mit dem Nationalsozialismus endete diese Selbstvertretung jedoch abrupt. Nach 1945 beschleunigten Technisierung, das „Wirtschaftswunder“ und der Emslandplan das Ende des Heuerlingswesens. Viele ehemalige Heuerleute fanden Arbeit in Industrie und Handwerk, die alten Pachtverhältnisse verschwanden.
Der Vortrag von Dr. Lensing bot nicht nur spannende Einblicke in ein fast vergessenes Kapitel der Regionalgeschichte, sondern machte auch deutlich, wie eng soziale und wirtschaftliche Entwicklungen miteinander verbunden sind.
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