Das Lied der Moorsoldaten – Uraufführung vor 90 Jahren im Emsland

Börgermoor/Esterwegen. Das bekannteste Konzentrationslager-Lied wurde vor 90 Jahren im Emsland von Häftlingen uraufgeführt. Es war ein Akt der Selbstbehauptung und des passiven Widerstands, als die Häftlinge im KZ Börgermoor am 27. August 1933 das Lied „Wir sind die Moorsoldaten“ zum ersten Mal vor Publikum sangen. Die Gedenkstätte Esterwegen wird das 90. Jubiläum der Uraufführung in ihren sozialen Medien und vor Ort vielfältig begleiten.
Matthias Brüning
Das Liedblatt „Wir sind die Moorsoldaten“, 1933. (Foto: Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück)

Die Zuhörer bei der Uraufführung im KZ Börgermoor bestanden dabei nicht nur aus den Häftlingen, sondern auch aus der SS-Wachmannschaft, die die Aufführung genehmigt hatte. Erst wenige Tage zuvor hatten SS-Männer eine Prügelorgie unter Teilen der Häftlinge veranstaltet und einige dabei schwer verletzt. Solche Misshandlungen wollten sich die Häftlinge nicht gefallen lassen, die seit einigen Wochen im neu errichteten KZ Börgermoor Zwangsarbeit im Moor leisten mussten. Der Gewalt der SS sollte mit Witz und Kultur begegnet werden, um die Inhaftierten – vor allem politische Gegner der Nationalsozialisten – zur Geschlossenheit zu motivieren und Zuversicht zu verbreiten.

Eine Reihe von Häftlingen bereitete daraufhin eine Varieté-Veranstaltung mit dem Namen „Zirkus Konzentrazani“ vor. Die Idee war unter den Inhaftierten nicht unumstritten und es gab Befürchtungen, die SS könne eine solche Aufführung propagandistisch für eine Verschleierung der Zustände in den Konzentrationslagern ausnutzen, was aber nicht geschah.

Am Sonntag, dem 27. August 1933, fand schließlich die Vorführung statt. Es war ein mehrstündiges Programm aus Musik und kabaretthaften Einlagen, die die Häftlinge mit improvisierten Mitteln darboten und dabei immer wieder auf subtile Weise die Haftumstände kritisierten. Höhepunkt und Abschluss bildete die Uraufführung des eigens komponierten Liedes „Wir sind die Moorsoldaten“ durch einen Häftlingschor. Für Text und Melodie waren vor allem der Theaterschaffende Wolfgang Langhoff, der Gewerkschafter Johann Esser sowie der Kommunist Rudi Goguel verantwortlich. Das Lied drückte das Leid der Häftlinge aus, ließ aber zwischen den Zeilen auch die Hoffnung auf ein Ende des Nationalsozialismus durchscheinen. Den ermutigenden Zweck hatte der „Zirkus Konzentrazani“ erfüllt. Langhoff schrieb 1935 rückblickend: „Wir, die wir nicht mehr das Leben von Menschen führten, hatten es gewagt, für einige Stunden über uns selbst zu bestimmen, ohne Befehle, ohne Anweisungen, ganz so, als ob wir unserer eigenen Herren wären und als ob so eine Einrichtung wie Konzentrationslager nicht existierte!“

Doch bei der Uraufführung des Liedes sollte es nicht bleiben. Trotz des raschen Verbots durch die Nationalsozialisten verbreitete  sich das Lied durch entlassene Häftlinge bereits in den 1930er Jahren weltweit und ist heute das wohl bekannteste Lied aus den Konzentrationslagern. Mittlerweile existieren weit mehr als 500 bekannte Versionen des Liedes, welches zudem in zahlreiche Sprachen übersetzt worden ist.

„Das Lied der Moorsoldaten ist sehr wahrscheinlich das wirkungsmächtigste Lied aus deutschen Konzentrationslagern. Es packt die Menschen bis heute“, sagt der Co-Leiter der Gedenkstätte Esterwegen, Dr. Sebastian Weitkamp. Er ergänzt: „Viele deutsche wie internationale Besucherinnen und Besucher, die zu uns kommen, kennen dieses Lied; selbst wenn sie bisher über die Geschichte der Emslandlager wenig gehört haben.“ „Vor allem jüngere Besucherinnen und Besucher zeigen ein großes Interesse, wenn die aktuelle Interpretation des Moorsoldatenliedes durch die ‚Toten Hosen‘ aus dem Jahre 2012 im Rahmen der pädagogischen Bildungsformate thematisiert wird“, meint der zweite Co-Leiter Martin Koers.

Das Team der Gedenkstätte hat im Vorfeld des Jubiläums junge Menschen und Musikschaffende aus der Region angeregt, sich neu mit dem Lied der Moorsoldaten auseinanderzusetzen. So spielte der FSJler Felix Farwick, der seit fast einem Jahr die Gedenkstätte unterstützt, mit einem Streichquartett eine neue Version ein. Leiter des Quartetts ist Broder Balzer von der Musikschule des Emslandes (Papenburg). Auch der Männergesangsverein St. Johann aus Esterwegen hat eine eigene Version eingesungen. Diese und weitere Beiträge werden am 27. August auf dem neuen Youtube-Kanal der Gedenkstätte Esterwegen zu sehen sein, der anlässlich des Jubiläums freigeschaltet wird.

Über die sozialen Kanäle der Gedenkstätte Esterwegen macht das Team zudem auf weitere, bundesweite Beiträge und Reaktionen aufmerksam, die teilweise gemeinsam mit der Gedenkstätte entstanden sind. Darunter ist auch die Radiosendung „Zeitzeichen“ des WDR, die dem Lied eine ganze Sendung widmet. Das Publikum kann sich aber auch auf einige Überraschungen einstellen.

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